Offener Brief von Erika Därr über Reisewarnungen in Marokko |
Die Reiseführerautorin Erika Därr kritisiert in einem offenen Brief an den deutschen Botschafter in Rabat die Sicherheitshinweise und Reisewarnungen des Auswärtigen Amts für Marokko und kommentiert sie mit eigenen Einschätzungen zur gegenwärtigen Situation.
Erika Därr gehört definitiv zu den Marokko-Expertinnen im deutschsprachigen Raum. Sie besuchte das Königreich erstmals 1971, seitdem führten sie unzählige Reisen und Expeditionen in die Region. Sie ist die Autorin des wichtigsten deutschsprachigen Reiseführers für das Land, dem bei Reise Know-How erschienen Marokko-Handbuch für individuelles Entdecken (Rezension) sowie zahlreicher anderer Bücher über Nordafrika.
Die Publikation dieses Briefes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Frau Därr. Der besseren Lesbarkeit wegen, wurden einige Zwischenüberschriften ergänzt.
Allgemeine Hinweise für Marokko nicht zutreffend
Dass gleich zu Beginn der Marokko-Seite die allgemeinen Sicherheitshinweise zur Sahara kommen, irritiert Pauschaltouristen, die das Land nicht kennen und sich zum ersten Mal nach Marokko begeben wollen nachhaltig und schädigt die dortige Tourismusindustrie. Diese allgemeinen Informationen halte ich für die Nachbarländer auf jeden Fall zutreffend, aber nicht für Marokko. Die Grenzen Marokkos sind sehr gut überwacht und wie der In Marokko lebende Thomas Friedrich schreibt, nahezu undurchdringlich, das betrifft insbesondere die Region der Westsahara zu Algerien und Mauretanien mit dem elektronisch gesicherten Grenzwall.
Hier eine kurze Episode dazu: Meine Tochter Astrid und ich, wurden 2009 am Flughafen von einer Frau angesprochen, als diese gemerkt hatte, dass wir uns im Land gut auskennen und hat uns gefragt wie gefährlich es wäre, vor allem die Entführungshinweise; sie hätte erst kurz vor dem Abflug durch den Reiseveranstalter die Warnhinweise bekommen. Sie flog nach Agadir und bekam die Reisehinweise trotzdem vom Veranstalter. Sie war sichtlich erleichtert, als wir sie beruhigen konnten.
Sie schreiben:
Deutschen Staatsangehörigen, insbesondere in den Großstädten Rabat, Casablanca, Tanger, Marrakesch und Fes sowie den Grenzgebieten zu Algerien und Mauretanien, wird zu besonderer Vorsicht geraten. Es wird dringend empfohlen, Demonstrationen und Menschenansammlungen weiträumig zu meiden und die Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen. Zu und im Anschluss an die Freitagsgebete wird dringend geraten, öffentliche Plätze zu meiden.
Meine Meinung dazu: Aufmerksamkeit gut und schön, aber es führt zu einer Überängstlichkeit, dass viele Touristen dazu neigen jeden Araber der mit Bart und Käppi und Gandoura herumläuft als potentiellen Terroristen zu sehen. Probleme ergeben sich zusätzlich durch den zurückgehenden Tourismus, dass Schlepper und „faux guides“ wieder aufdringlicher werden um überhaupt noch Geschäfte zu machen und Touristen die zum ersten Mal in Marokko sind, können hier nicht unterscheiden zwischen einer bösen Absicht (möglicher Islamist) oder nur aufdringlicher Händler, Führer oder Schlepper.
„Mit ihren Warnungen im Kopf würde kein Marokko-Neuling solche Einladungen annehmen“
Wir wurden überall im Land ob von strengen Moslems oder mehr weltlich orientierten Berbern freundlich und zuvorkommend behandelt. So wurden wir zum Opferfest in Goulmima von der Straße weg auf der Suche nach dem Campingplatz, von einem Gerichtsschreiber zum Essen in der Familie eingeladen. Er war auf dem Weg zur Moschee und anschließend haben wir uns verabredet und konnten sowohl ein gutes Essen genießen als auch den Einblick in die Mittelklassefamilie gewinnen. Für uns war es nicht das erste Mal, aber trotzdem ein unvergessliches Erlebnis mit interessanten Gesprächen. Mit Ihren Warnungen im Kopf würde kein Marokko-Neuling so eine Einladung annehmen, obwohl Gastfreundschaft für jeden Moslem oberste Priorität hat, würde die Angst vor einer möglichen Falle überwiegen.
Menschenansammlungen in Marokko zu meiden ist ein schlechter Witz, denn in allen Souks des Landes geht es turbulent zu und der Djemaa el Fna in Marrakesch ist die größte Attraktivität und wohl auch die größte Menschenansammlung. Die Terroristen 2011 in Marrakesch haben sich bewusst ein Café ausgesucht in dem viele Touristen verkehren und nicht den Platz selbst. Marokkanische Terroristen, die es sicher gibt, wie es auch bei uns islamische Terroristen gibt, sind bis jetzt erfreulicherweise nicht so weit radikalisiert wie z.B. in Pakistan, Afghanistan, Kaschmir, Irak, dass sie Plätze angreifen auf denen sich viele Einheimische bewegen, sondern gezielt wie in Marrakesch Touristencafés oder ausländische Institutionen auswählen.
Gibt es Reisewarnungen für Europa, Amerika oder Israel?
Aber solche Vorkommnisse gab es seit 2001 dreimal in Marokko. Wie viele Bomben wurden seit 2001 in Europa gefunden? Kürzlich in Bonn, war es ein reines Glück, dass es nicht schlimmer kam. Gibt es Reisewarnungen für Europa, Amerika, Israel?
Da in Marokko keine Moscheen besucht werden können, mit Ausnahme Tin Mal oder Hassan II in Casablanca, wird kaum einer auf die Idee kommen, sich zum Freitagsgebet zu einer Moschee zu begeben und selbst danach in der Medina und auf öffentlichen Plätzen sehe ich in der Warnung keinen Sinn. Normalerweise wird nach dem Freitagsgebet zuhause Couscous gegessen und davon noch den Armen in der Nachbarschaft gespendet. Gerade Freitagmittag ist in der Regel der Souk wie ausgestorben. Es würde mich interessieren wie diese Meldung zustande kam.
Eine gewisse Gefahr sehe ich im Besuch der Souks von Casablanca-Medina und der umliegenden Armenviertel. Da die Islamisten besonders in den Elendsvierteln – den carrières — Nachwuchs rekrutieren, würde ich persönlich davor warnen, und empfehlen, sich von den Armenvierteln der Großstädte fernzuhalten (das betrifft insbesondere die Städte Casablanca, Tanger, Marrakesch).
Die Demonstrierenden richten sich nicht gegen den König, sondern fordern mehr Freiheiten
In Rabat oder Fes hatte ich im Gegensatz zu Marrakesch in den letzten Jahren nicht das Gefühl, dass hier eine verstärkte Islamisierung im Gange sei, während in Marrakesch in der Medina in zunehmendem Maße Frauen von Kopf bis Fuß schwarz verschleiert herum laufen, was ja ganz und gar nicht Berbertradition ist und von den meisten Berbern strikt abgelehnt wird.
In vielen Staaten der arabischen Welt finden weiterhin Protestaktionen statt, die teilweise von breiten Bevölkerungsschichten getragen werden und sich gegen die jeweiligen Regierungen richten. Auch in Marokko ist es in einigen Städten zu Demonstrationen und zum Teil auch gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen.
Die Demonstrationen in Marokko halten sich in Grenzen, ein Großteil der Bürger steht zum König als einigendes Element zwischen den vielen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und kennt die Gefahr des Auseinanderbrechens der Nation, falls es keinen König mehr gäbe. Die Demonstrationen richten sich nicht gegen den König sondern treten für mehr Freiheitsrechte ein und die Demonstrationen sind seit der Verabschiedung der neuen Verfassung und der neuen Regierung deutlich seltener. Auseinandersetzungen mit der Polizei gab es zu Beginn des arabischen Frühlings (in Marokko „Bewegung 20.Februar“), vor allem in Al Hoceima.
Terrorismus vs. Tourismus
In der Vergangenheit gab und gibt es diese in erster Linie in der Westsahara (Laayoune), oder mit den Anhängern der Islamistenpartei „Freiheit und Gerechtigkeit“ des verstorbenen Scheichs Yassine.
Terrorismus
Am 28. April 2011 ereignete sich in einem Café in Marrakesch eine schwere Bombenexplosion, die mehrere Todesopfer und Verletzte – darunter auch Ausländer – forderte. Der Anschlag wurde von einem islamistisch motivierten Terroristen durchgeführt. In Marokko sind trotz umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen der Regierung terroristische Gruppen weiterhin aktiv und planen unverändert Anschläge. Die marokkanischen Innenbehörden gehen deshalb von einer hohen Gefahr weiterer terroristischer Anschläge im Lande aus. Auch ein Übergreifen der bislang vor allem in Algerien terroristisch aktiven Al Qaida im islamischen Maghreb (AQM) auf marokkanisches Gebiet wird von Sicherheitskreisen nicht ausgeschlossen
Siehe dazu mein Kommentar oben. Solange die Gesellschaft immer mehr in arm und reich auseinanderdriftet, werden die Islamisten Anhänger bekommen, das ist aber überall in der Welt das gleiche. Bei uns gibt es in Mecklenburg-Vorpommern Probleme mit den Nazis, aber auch mit Islamisten. Da könnte man auch bei uns vom Reisen generell abraten, z.B. Griechenland, oder wann explodiert die Lage in Spanien? In USA gibt es immer wieder terroristische Anschläge, ebenso gab es sie in Deutschland, in Madrid, in London. Marokkos Regierung und vor allem der König tun viel dafür, Islamistenzirkel auszuheben und Reformen durchzuführen, die Infrastruktur auszubauen. Aber wie sie selbst wissen, ist das in Marokko noch ein langer Weg, bis die Armut einigermaßen beseitigt werden kann. Der Tourismus kann hier helfen, aber stattdessen wird er mit übertriebenen Warnungen kaputt gemacht.
Allgemein würde ich sagen, dass demokratische Systeme in Bezug auf Terrorismus mehr gefährdet sind als diktatorische oder halbdiktatorische (halbdemokratische) wie Marokko, da hier wesentlich radikaler gegen Staatsfeinde durchgegriffen wird und auch die Grenzen weniger durchlässig sind als in Europa. Das heißt nicht, dass ich das gut finde, aber wenn man wahrscheinlich eine Terrorismusstatistik aufmacht, dann würde Europa oder Amerika im Vergleich zu Marokko deutlich schlechter abschneiden.
Das Auswärtige Amt rät bei Aufenthalten in Marokko– wie in allen Ländern der Region – zu erhöhter Aufmerksamkeit. Dies gilt insbesondere für Orte, an denen sich Touristen aufhalten und für religiöse Kultstätten sowie für symbolträchtige Daten, wie zum Beispiel hohe religiöse und andere Feiertage. Im wüstenartigen marokkanischen Grenzgebiet zu Algerien und Mauretanien könnten Reisende besonderen Gefährdungen ausgesetzt sein. Reisenden wird empfohlen, die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen und den Weisungen der örtlichen Sicherheitsbehörden Folge zu leisten.
Welcher Tourist wird marokkanische Medien verfolgen – die sind in Arabisch oder Französisch, das beherrscht kaum jemand.
Reale Gefahren in Mauretanien und der Westsahara, nicht in der marokkanischen Wüste
Grenzgebiet Mauretanien: Hier ist Vorsicht geboten, da hier, wie sie schreiben in einigen Regionen Minen liegen, aber die Teerstraße nach Nouadhibou ist frei und problemlos zu bewältigen. Terrorismusgefahr besteht aber sicherlich auf der mauretanischen Seite und womöglich auch im Süden der Westsahara, da infolge des Mali- und des Westsahara-Konflikts auch Fluchtbewegungen der dort ansässigen Bevölkerung in Richtung Norden stattfinden kann. Die Grenze ist jedoch gut durch das marokkanische Militär bewacht und von der malischen Seite her und Mauretanien-Westsahara durch den elektronischen Grenzwall gesichert. Aber ein Einsickern von Terroristen über die grüne Grenze (auch im verminten Gebiet) ist nicht ausgeschlossen.
Algerien: Die meisten attraktiven Touristengebiete Marokkos liegen in Grenznähe zu Algerien, hier zu warnen ist überflüssig und schadet nur dem Tourismus. Merzouga und Erg Chebbi, nur ca. 20-40 km von der algerischen Grenze entfernt ist eines der Hauptattraktionen Marokkos. Wir trafen im Hotel eines marokkanischen Freundes Israelis, amerikanische Juden und ganze Wüstencamps mit über 100 Teilnehmern amerikanischer Sprachstudenten die von Spanien aus hierher regelmäßig in die Wüstencamps unseres Freundes kommen. Weder in Israel noch in USA gibt es entsprechende Reisewarnungen.
Veraltete Hinweise zu Minenfeldern
Dergleichen Zagora, M’Hamid und die Region zwischen Merzouga und Zagora und weiter nach Tata. Nirgendwo kann man nur annähernd irgendwo eine Gefahr sehen. Es sind Touristen aus aller Welt dort, vor allem auch spanische und französische Offroad-oder Wohnmobil-Touristen die jedes Jahr wiederkommen, zum Teil über drei Monate im Winter. Die Deutschen bleiben jedoch aus, weil sie die Warnungen fürchten. Immer wieder höre ich, „kann man da denn hin fahren?“
Reisen über Land
Von Fahrten in das Grenzgebiet zu Algerien und Mauretanien sowie in und durch die Westsahara wird dringend abgeraten. Eine konsularische Betreuung durch die Botschaft Rabat ist in der Westsahara aus praktischen und rechtlichen Gründen nicht möglich. Beim Grenzübertritt von Mauretanien in die Westsahara ist zudem eine Gefährdung durch nicht gekennzeichnete Minenfelder gegeben.
Siehe mein Kommentar oben. Grenzübergang Westsahara-Mauretanien: Hier gibt es mittlerweile eine Teerstraße und ein Grenzgebäude, keiner muss mehr durchs Minenfeld.
Im Rif-Gebirge werden mitunter Reisende von Rauschgifthändlern bedrängt (Steinwürfe, Straßensperren). Das Rif-Gebirge sollte daher nicht allein befahren werden. Insbesondere die Strecken zwischen Chefchaouen über Ketama nach Al-Hoceima sowie die Straße von Ketama nach Fes sind problematisch. Rauschgiftbesitz wird rigoros verfolgt und mit hohen Haft- und Geldstrafen geahndet.
Das ist mittlerweile veraltet. Es gibt hier weder Steinwürfe noch Straßensperren. Das gab es in den 70er und 80er Jahren. Wir sind sowohl auf der letzten Reise wie auch 2010 durch Rif gefahren. Keinerlei Belästigung mehr, sehr freundliche Leute die sich über Touristen freuen, zumal es jetzt die landschaftlich wunderschöne und breit ausgebaute Küstenstraße von Tetuan bis Nador gibt.
Das als Kommentar zu Ihren Warnungen. Grundsätzlich würde ich vor Reisen nach Mauretanien warnen, vor dem Betreten von Armenvierteln, wie es ja auch in Südafrika bei Soweto gewarnt wird, vor illegalen Grenzübertritten z.B. nach Algerien oder Mauretanien am Minengürtel und zum sensiblen Umgang mit der Bevölkerung –- vor allem, was das Fotografieren und die Bekleidung betrifft, um nicht zu provozieren — das ist viel wichtiger als die anderen Warnungen. Wenn sich Frauen leicht bekleidet in die Nähe von Moscheen oder in Dorf und Stadtsouks begeben, schürt das Aggressionen.
Mir tut es weh, wenn ein so schönes Land wie Marokko mit weitgehend freundlichen Leuten und einer großartigen Kultur in den Augen des unbedarften Reiseinteressierten so niedergemacht wird.
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